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1.   Grundsatz

Die vorrangige Grundlage für die Bestimmung des Zollwerts für Waren ist der Transaktionswert, der dem beim Verkauf von Waren zur Ausfuhr in das Zollgebiet der EU tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist (siehe Artikel 71 UZK, u.a. Lizenzgebühren).

Bei verbundenen Unternehmen, d.h. bei Warentransaktionen zwischen zwei Gruppengesellschaften oder zwischen einer in- und außerhalb der EU befindliche Betriebsstätte, gelten strengere Maßstäbe, da hier das Risiko einer Preisbeeinflussung aufgrund der Verbundenheit der Gesellschaften oder Betriebsstätten besteht (Art. 70 Abs. 3 d UZK).

2.   Preisbeeinflussung aufgrund der  Verbundenheit

Bei der Preisbeeinflussung handelt es sich um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff. Dieser ist unter Hinzuziehung der „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT) Verträge, dessen Kommentierung durch die WCO sowie aufgrund von EU und nationaler Rechtsprechung auszulegen. Die Kommentierung und Empfehlungen seitens der WCO haben keinen Rechtscharakter, dienen aber nach überwiegender Rechtsauffassung als Expertenmeinung bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen.

Seitens der WCO wurde in 2015, mit einer Neuauflage in 2018, der „WCO Guide to Customs Valuation and Transfer Pricing” veröffentlicht, nachdem steuerliche Verrechnungspreismethoden grundsätzlich für den Nachweis, dass keine Preisbeeinflussung vorliegt, geeignet sind. Die praxisrelevantesten Aussagen befinden sich in der Fallstudie 14.1 (Seite 89 ff.), nach der

  • Steuerliche Verrechnungspreisdokumentationen für die Prüfung der Preisbeeinflussung durch die Zollbehörden herangezogen werden können sowie

  • Steuerliche Verrechnungspreismethoden zum Nachweis geeignet sein können, dass keine Preisbeeinflussung vorliegt.

Auszug aus der Fallstudie 14.1 des WCO Guide to Customs Valuation and Transfer Pricing:

Hamamatsu, Jahresendanpassungen, FG München, EUGH, BFG, Zollwert

Einschränkend wirkt, dass weitere Informationen („additional information“) bei Prüfung hinzugezogen werden können. Entsprechend werden Verrechnungspreisenachweise in den einzelnen GATT-Mitgliedstaaten recht unterschiedliche gehandhabt.   

3.   Verrechnungspreisgrundlagen

a.) Verrechnungspreismethoden

Aufgrund WCO Guide to Customs Valuation and Transfer Pricing finden die steuerlichen Grundsätze des Fremdvergleichsgrundsatzes „arm’s length principle“ auch bei der Prüfung der Preisbeeinflussung beim Zollwert Anwendung, d.h. bei Warentransaktionen zwischen verbundenen Parteien.

Bei dem Fremdvergleichsgrundsatz handelt es sich ebenso wie bei der „Preisbeeinflussung“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der seitens der Rechtsprechung (insbesondere die gefestigte Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung) sowie mit Hilfe von Kommentierungen durch die OECD auszulegen ist. Die relevanteste Kommentierung sind die OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2022 („TP Guidelines“).

 

Grundsatz nach den TP Guidelines ist, dass sich verbundene Parteien so verhalten müssen, wie sich fremde Dritte gegenüber verhalten hätten (arms length principle). Anders als die WCO, hat die OECD jedoch ein umfassendes Werk mit Verrechnungspreismethoden geschaffen, die angewendet werden können, um den Nachweis der Fremdüblichkeit zu führen. Danach kann die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise mittels der nachfolgenden Methoden nachgewiesen werden:

  • Transaktionsbezogene Methoden der Verrechnungspreise

    • Preisvergleichsmethode bei der Ermittlung des Verrechnungspreises (comparable uncontrolled price method)

    • Wiederverkaufsmethode bei der Ermittlung des Verrechnungspreises (resale price method)

    • Kostenaufschlagsmethode bei der Ermittlung des Verrechnungspreises (cost plus method)

  • Gewinnorientierte Methoden der Verrechnungspreisermittlung

    • Gewinnaufteilungsmethode (Profit split method)

    • Transaktionsbezogene Nettomargenmethode (Transactional net margin method)

Aus Zoll- und Steuerperspektive, ist der Nachweis das Preis nicht durch die Verbundenheit beeinflusst, mithin fremdüblich ist, für jede einzelne Warentransaktion zu führen.

b.) Bestimmung der Verrechnungspreise (ex ante oder ex post)

Probleme zwischen Verrechnungspreisen und der Bestimmung des Zollwerts bestehen insbesondere beim Zeitpunkt der Bestimmung. Der Zollwert knüpft systematisch an den Wert der Ware zum Zeitpunkt der Einfuhr an, während Verrechnungspreise grundsätzlich auf Basis von historischen Werten bestimmt werden. Einzige Ausnahme dazu mag die Preisvergleichsmethode bilden. Bei allen anderen Methoden werden die Preise auf Basis von Benchmarks bestimmt (z.B. Marge, Kostenaufschlag oder operativer Gewinn), die in Ermangelung von Echtzeitdaten auf einen Datenbestand beruhen der regelmäßig 1 bis 2 Jahre alt ist. Weitere Ausnahme dazu bildet die Gewinnaufteilung nach dem Profit-Split, die jedoch erst zum Jahresabschluss bestimmt werden kann.

Hinsichtlich der Preisfestsetzung werden seitens der TP Guidelines zwischen zwei Verfahren unterschieden:

  • Price Setting Approach: Danach legen die Parteien zu Beginn des Wirtschaftsjahres einen Preis fest, anhand dessen die verbundenen Unternehmen ein fremdübliches Ergebnis erzielen. Dies gilt unter der Maßgabe, dass die Geschäftsentwicklung der bei der Preisbestimmung zu Grunde gelegten entspricht. Abweichungen in der Geschäftsentwicklung von der Erwartung, werden von denen Parteien jeweils getragen. In Praxis sind Annahmen zur Geschäftsentwicklung oft streitbefangen, da diese in Rahmen einer Betriebsprüfung oft mit einem aktuellen Wissen verprobt werden (im Nachhinein ist man immer schlauer).  

 

  • Outcome Testing Approach: Hier sollte der Preis ebenso wie beim Price Setting Approach festgelegt werden, jedoch vereinbaren die Parteien am Jahresende eine Anpassung der Preise vorzunehmen, wenn das Geschäftsergebnis nicht in der vereinbarten Bandreite liegt (z.B. der Routinedistributor außerhalb der gebenchmarkten operativen Bandbreiten liegt). Hierbei handelt es sich um sog. Jahresendanpassungen.

 

In der Unternehmenspraxis, auch aufgrund des Umstandes, dass einige Länder den Price Setting Approach nur akzeptieren, wenn er ihnen zu Vorteil gereicht, sind Jahresendanpassungen weit verbreitet. Vorteil bei den Jahresendanpassungen ist insbesondere, dass die Unsicherheiten im Hinblick auf die etwaige Geschäftsentwicklungen mit der Jahresendanpassung korrigiert werden und somit am Ende ein fremdübliches Ergebnis steht.

 

Achtung!        

Jahresendanpassungen sind nach § 153 AO zwingend beim Zoll anzuzeigen. Seitens des BMF wird dazu ausgeführt „Nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen in Form von Nachbelastungen durch den Verkäufer sind vom Anmelder dem zuständigen Hauptzollamt unverzüglich anzuzeigen (§ 153 AO). Bei nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen in Form von Gutschriften des Verkäufers besteht mitunter ein Erstattungsanspruch. Voraussetzung ist jedoch, dass die Anpassung zwischen den Kaufvertragsparteien vor den Einfuhren dem Grunde und der Höhe nach vertraglich vereinbart wurde und produktbezogen erfolgt.“ (BMF IV B 5 - S 1341/19/10017 :001; DOK 2021/0770780, BStBl. I S. 1098).

c.) Jahresendanpassungen im Zollrecht

Im Einklang mit dem oben zitierten BMF-Schreiben, besteht seitens der deutschen Zollverwaltung grundsätzlich die Bereitschaft Jahresendanpassungen in beide Richtungen auch für Zollzwecke anzuerkennen. Praktisch sind die behördlichen Anforderungen an Preissenkungen jedoch so hoch, dass sie von den handelnden Wirtschaftsbeteiligten nur schwer dargestellt werden können. Abweichend vom Steuerrecht, verlangt der Zoll den Nachweis der Fremdüblichkeit auf Produktebene, was im Ergebnis grundlegende Wirtschaftsüberlegung zu abweichenden Produktprofitabilität innerhalb eines Produktportfolios oder Mischkalkulationen nahezu ausschließt. Ferner widerspricht es dem Benchmarkingansatz, der grundsätzlich nur Durchschnittswerte über ein Produktportfolio darstellen kann, aber eben keine Produktspezifischen Kennzahlen bereitstellen kann. 

 

Hinweis:           

Die Anforderungen an Jahresendanpassungen aus einer zollrechtlichen Perspektive weichen erheblich von den steuerlichen ab, da diese auf die Produktebene abzielen. Entsprechend ist es entscheidend, dass die Vertriebs- bzw. Lieferverträge zwischen den verbundenen Unternehmen dies entsprechend berücksichtigen (z.B. Vorläufigkeit der Preise bis zur Jahresendanpassung). Diese Punkte sind aus einer steuerlichen Perspektive oft unerheblich und werden daher häufig von Inhouse Taxfunktionen oder Rechtsanwälten und Steuerberatern ohne Zollexpertise bei der Vertragserstellung nicht berücksichtigt.

Anzeichen für eine Preisbeeinflussung sieht die deutsche Zollverwaltung derzeit nur, wenn eine Jahresendanpassung mit einer Preisminderung einhergeht (steuerliche Gewinnerhöhung). Insofern erscheint die aktuelle Rechtsaufassung der deutschen Zollverwaltung zielgerichtet zu Lasten des Zollpflichtigen zu gehen. Seitens der jüngsten Rechtsprechung des EUGH zum Fall Hamamatsu, in der eine Zollerstattung aufgrund einer Jahresendanpassung begehrt wurde, die seitens des EUGH verneint wurde, fühlt sich die Zollverwaltung in ihrem Vorgehen bestätigt.

 

Aktuell erging nunmehr die erste Folgerechtsprechung zum umgekehrten Hamamatsu-Fall, die sich mit der Frage beschäftigt ob gewinnmindernde Jahresendanpassung (Erhöhung des Produktpreises) relevant für den Zollwert sind. Dies wurde seitens des FG München, Urteil v. 27.10.2022 - 14 K 588/20 in Folge der EUGH Rechtsprechung zum Fall Hamamatsu verneint.

 

Davon auszugehen, dass Jahresendanpassungen in beide Richtungen nunmehr irrelevant sind, erscheint ein Trugschluss, da dies zu massiven Missbrauchstatbeständen führen würde. Sollte die Rechtsprechung des FG München höchstrichterlich bestätigt werden, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Zollbehörden deutlich tiefer in die Frage der Preisbeeinflussung und der Verrechnungspreise einsteigen werden müssen. Eine verwaltungseffiziente Lösung unter Akzeptanz von pauschalen Anpassungen in Anlehnung an den Verrechnungspreis scheint dann kaum mehr möglich zu sein. Vielmehr wird zu prüfen sein, wie der konkrete Preis zum Zeitpunkt der Einfuhr gebildet wurde, d.h. ebenso wie im Steuerrecht wird sich der Zoll detailliert mit der Frage der Preisbildung auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang könnten die Grundsätze des Price Setting Approachs für Zwecke des Zollwerts an erheblicher Bedeutung gewinnen. Dies würde zu einer massiven administrativen Mehrbelastung auf Ebene der Zollverwaltung und des Zollschuldners führen, jedoch ohne die Qualität der Zollwertbestimmung zu verbessern.  

4. Dokumentation der Verrechnungspreise

Grundsätzlich ist jeder steuerpflichtige der Geschäftstransaktionen mit ausländischen verbundenen Unternehmen oder Betriebsstätten tätigt, zu Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation verpflichtet (§ 90 Abs. 3 AO).

Ausnahmen bestehen für kleiner Unternehmen, die durch Auskünfte die Beachtung des Fremdvergleichs nachweisen können und keine umfassende Dokumentation vorlegen müssen sofern die Summe der Entgelte für Lieferungen an bzw. von verbundenen Personen nicht MEUR 6 übersteigt und bei Dienstleistungen nicht höher als TEUR 600 ist (§ 6 GAufzV).

 

Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen. Zollbehörden sind Finanzbehörden im Sinne der Abgabenordnung.

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